Geschichte
Die Hofbibliothek
Der Name Hofbibliothek kennzeichnet unverwechselbar die Herkunft der im Aschaffenburger Schloss untergebrachten regionalen Staatlichen Bibliothek.
1545 Kardinal Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Magdeburg u. Mainz, Bischof von Halberstadt übereignet kostbare Handschriften aus dem Halleschen Stift und aus seinem Privatbesitz nach seinem Tod der Mainzer Dombibliothek; diese wird 1803 teilw. der Hofbibliothek einverleibt. Besonders die Prachthandschriften aus der Mainzer Dombibliothek (z.B. Fuldaer Festtagslektionar, 10.Jh.; Mainzer Evangeliar, 13. Jh.; Missale Hallense, 1523; Hallesches Heiltumsbuch, 1525 u.a.) begründen den dauernden Wert der Hofbibliothek, auch wenn die Gesamtzahl der Handschriften mit 58 Stück relativ gering ist. Berühmte Schulen und Künstler (Fulda, Mainz, Mittelrhein, Niederlande, Florenz, Nürnberg mit N. Glockendon, Beham u.a.) sind mit Meisterwerken vertreten. Auch illustre Vorbesitzer sind vorzuweisen: Ms.5, das Gebetbuch der sel. Gertrud von Altenberg, Tochter der Hl. Elisabeth; Ms 15, das Brevier des Kardinals Pietro Corsini; ein Wiegendruck aus der Bibliothek Colberts.
Ein zweibändiges Papierexemplar der B 42 - Gutenberg-Bibel (Inc. 14) bereichert den Inkunabelbestand.
1780 Friedrich Karl Joseph von Erthal, Kurfürst u. Erzbischof von Mainz sammelt eine bibliophile Privatbibliothek und bestellt den Kanonikus Heinrich Günther als Bibliothekar. Dieser kauft u.a. in Paris auf der Auktion der La Vallièreschen Bibliothek eine Reihe von Wiegendrucken.
1787 ordnet und katalogisiert der Dichter des Sturm und Drang, Wilhelm Heinse, die Erthalsche Privatbibliothek, legt zudem eine Sammlung von Reformations- u. Flugschriften (202 Luther-Schriften, 280 Wittenberger Drucke) an.
1794 Erthal flüchtet mit seiner Bibliothek auf die Johannisburg zu Aschaffenburg, die neue Heimat der Fürstlichen Bibliothek.
1802 fügt Kurfürst Karl Theodor von Dalberg die eigene Büchersammlung hinzu, gründet aus dem Erbe Erthals den "Friderizianischen Fonds"(erst 1962 aufgelöst) und sichert damit der nun quasi staatlichen Bibliothek (1803-1810 Eigentum des neugegründeten Fürstentums Aschaffenburg, dann bis 1814 des Großherzogtums Frankfurt) viele Jahre den Unterhalt, bis seine Mittel durch Inflationen verbraucht sind.
1804 Anlage eines Benutzerbuches, das heute als wertvolle Autographensammlung dient. Schiller widmet Dalberg eigenhändig seinen "Wilhelm Tell" (Ms 25).
1805 Lothar Franz von Erthal, Obersthofmeister, vererbt seine Bücher (3.500 Bde.) mit der Erthalschen Familienbibliothek und seine Graphiksammlung der Fürstlichen Bibliothek.
1814 Übernahme der Verwaltung durch das Königreich Bayern.
1817 Neue Räume im Schloß (II. OG um den Ostturm)
1818 Alphabetische Fachgruppenkataloge: 20 Fachgruppen. Merkel verzeichnet Inkunabeln und Handschriften. Stetiger Aufbau aus Mitteln des Friderizianischen Fonds und Sondermitteln des Staates. Öffnung der Fürstlichen Bibliothek auch für Benutzer außerhalb des Hofes und für Studenten. Die Bibliothek wird in eine Gebrauchsbibliothek mit Schwergewicht Geschichte und Theologie umgewandelt.
1850 ca. 25 000 Bände. Öffnungszeiten: 2x pro Woche 11-13 Uhr.
1900 Gutachten des Kronanwalts Burckhard: die Königliche Bibliothek ist eine Staatliche Provinzialanstalt, die in Aschaffenburg bleiben soll.
1944/45 Auslagerung der Bestände (ca. 32.800 Bände) nach Amorbach (Handschriften u. Inkunabeln) und Burg Rothenfels (übriger Bestand).
1945 ab November Rückführung der Bestände (in die Villa Desch; 1960 ins Schloss), wenig Verluste.
1949 (1963) Betreuung der Graphischen Sammlung durch das Städtische Museum.
1959 Erster hauptamtlicher Diplombibliothekar.
1962 Eingliederung der Altbestände (Erscheinungsjahr vor 1850) der Bibliothek des Humanistischen Gymnasiums (2.800 Bände).
1967 Übergabe der Stiftsbibliothek (22.500 Bände) in die Verwaltung der Hofbibliothek mit getrennter Aufstellung. Die Jesuiten-Kollegien Aschaffenburg und Ravensburg schenken Teile ihrer Bibliotheken (ca. 7.000 Bände) der Hofbibliothek. Die Altbestände des Aschaffenburger Jesuitenkollegs sind in der Stiftsbibliothek.
1968 Josef Benzing veröffentlicht das Verzeichnis "Die Frühdrucke der Hofbibliothek Aschaffenburg bis 1550"(162 Inkunabeln, 650 Frühdrucke)
1977 Neue Ordnung der Bücher nach 120 Sachgruppen.
1978 Hans Thurn und Josef Hofmann beschreiben "Die Handschriften der Hofbibliothek Aschaffenburg" und
"Die Handschriften der Stiftsbibliothek und der Stiftskirche zu Aschaffenburg".
1979 Neue Räume im Schloss (EG Mainflügel mit Westturm).
1980 Verwaltung der Hugo-Dingler-Bibliothek (3.690 Titel). Sigrid von der Gönna veröffentlicht: "Die neuzeitlichen Handschriften, Autographen und Musikalien" und
1982 "Hofbibliothek Aschaffenburg. Ihre Geschichte in der Tradition der Kurfürstlich Mainzischen Bibliothek" und
1988 "Die Sonderbestände (Karten, Zeichnungen, Kleinkunst)" und
1995 "Die Druckgraphiksammlung der Hofbibliothek Aschaffenburg" (Mskr.).
1999 Online-Katalog für Nutzer; Internet-Auftritt; Ludwig K. Walter erstellt einen "Katalog der Wiegendrucke der Stiftsbibliothek zu Aschaffenburg".
2002 Umgestaltung Ausleih- und Katalograum; durchgehende Öffnungszeiten.
2004/05 Einführung der Ausleihe per EDV und der Online-Fernleihe.
2010 Renovierung der Bibliotheksräume; ca. 106.000 Bände.
2014 W-LAN im Lesesaal, 6 Nutzer-PCs.
2016 Stiftsbibliotheksbestand nun im Online-Katalog.
2022 Bezug neuer Räume in Schloß Johannisburg (Ostflügel)
2024 Einführung eines neuen Bibliothekssystems
Die Stiftsbibliothek
Eigentümer
Allgemeiner Schul- und Studienfonds Aschaffenburg, verwaltet durch das Stiftungsamt Aschaffenburg. Seit 1962 (1967 Vertrag) ist sie in der Hofbibliothek als Dauerleihgabe untergebracht.
Unter dem Namen "Stiftsbibliothek" sind heute Bestände zusammengefaßt, die zunächst als Universitätsbibliothek Aschaffenburg (1808-1818), dann als Lyceumsbibliothek (1818-1873) und anschließend als (große) Gymnasialbibliothek bis 1900 dienten. Aus Raummangel kamen die Bestände aus dem Gymnasialgebäude ins Stiftskapitelhaus, wo auch die stiftischen Archivalien untergebracht waren. Unter dem Namen "Stiftsarchiv-Bibliothek" wurde sie im Herbst 1901 von dem Gymnasiallehrer Wendelin Renz offiziell eröffnet.
1932 wurde die "Francksche Bibliothek", die 1808 teils der Lyzealbibliothek, teils dem Aschaffenburger Priesterseminar vermacht wurde, mit ihren 6.437 Bänden an das Priesterseminar Würzburg übergeben, wo sie im März 1945 vollständig verbrannte. Die übrige Stiftsarchiv-Bibliothek überstand im wesentlichen unbeschädigt den Krieg. Nach einigen Rechtsstreitigkeiten zwischen der Stadt Aschaffenburg und dem bayerischen Staat wurde 1967 in einem Vertrag zwischen dem Allgemeinen Schul- und Studienfonds und dem Staat Bayern festgelegt, dass die Sammlung unter dem Namen "Stiftsbibliothek" in der Hofbibliothek im Schloss untergebracht und von ihr bibliothekarisch mitbetreut wird. Durch eine Retrokatalogisierungsmaßnahme sind seit 2016 die fast 26.000 Titel im Online-Katalog der Hofbibliothek nachgewiesen.
Herkunft (Provenienz) der Bestände
- Reste der Bibliothek des ehemaligen Kollegiatstiftes St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg
- die Bibliothek des 1773 aufgelösten Jesuitenkollegs, die zusammen mit der alten Stiftsbibliothek und der Franckschen Bibliothek die "Bibliothek der Gesamtstudienanstalten" gebildet hatte (ca. 15.000 Bände)
- die Bibliothek des Präsidenten d. Kgl. Kreisgerichts Georg Adam Frh. von Kieningen (gest. 1816); sie kam mit ihren ca. 4.200 Titeln (in 2.293 Bänden) 1838 über die Bibliothek des Priesterseminars Aschaffenburg hinzu
- Reste der Bibliothek des Mainzer Kirchenrechtsprofessors Franz Philipp Franck (gest. 1810), soweit sie nicht 1932 in das Priesterseminar Würzburg verbracht wurden
Bestand
- 22.028 Bände (ca 25.500 Titel)
- 86 Handschriften
- 586 Inkunabeln (Wiegendrucke) (382 Bände)
Kataloge
- Online-Katalog Hofbibliothek (Primo VE)
- Alphabetischer Bandkatalog (2 Bände)
- Standortkatalog (7 Bände)
- Alphabetischer Verfasserkatalog (Zettel)
- Alphabetischer Verfasserkatalog des 16. Jh. (Zettel) - mit Register nach Orten u. Druckern
- Katalog Aschaffenburger Drucke ab 1622 (Zettel)
- Katalog Mainzer Drucke ab 1601 (Zettel)
- Handschriftenkatalog (Hofmann/Hauke, 1978)
- Inkunabelkataloge (Renz, 1908 und Walter, 1999)